Lisa-Marie Unger • 21. November 2025

Das KI-Dateninterface – Wie sich die SEO-Welt verändert

Du hast bisher immer recherchiert. Jetzt fragt du die um Rat, wenn es um Einkäufe geht. Nach vier Sekunden erhältst du eine übersichtliche Zusammenfassung mit Ähnlichkeiten, Unterschieden und einer Einschätzung. Willkommen in der Zukunft der Informationsbeschaffung.


HTML wurde für Menschen gebaut, nicht für Maschinen

Das Web basiert auf HTML, einer Auszeichnungssprache, die bestimmt, wie Text und Bilder im Browser dargestellt werden. Für uns Menschen ist das perfekt: Wir erkennen intuitiv, dass 9,99 Franken ein Preis ist und dass eine fünfstellige Zahl vor einem Ortsnamen eine Postleitzahl darstellt.


Für Maschinen ist das jedoch ein Problem. Im HTML-Code existiert diese semantische Bedeutung nicht. Der Code definiert nur die Formatierung. Die Lösung waren strukturierte Daten, die unsichtbar im HTML liegen und Maschinen helfen, die Bedeutung zu verstehen. Doch nur 10 bis 30 Prozent aller Websites nutzen diese Technologie überhaupt.


Das Problem mit KI und dem aktuellen Web

Heutige Chatbots wie ChatGPT und Gemini ersetzen Websites noch nicht vollständig, denn die dahinterliegende KI versteht Kontext nur begrenzt. Was wir sehen, basiert weitgehend auf statistischen Wahrscheinlichkeiten. Doch die Entwicklung ist rasant: Von ChatGPT im November 2022 bis heute haben wir einen enormen Sprung erlebt.



Und jetzt die entscheidende Frage: Was wird KI in fünf Jahren können? Sehr wahrscheinlich werden wir alle persönliche KI-Assistenten haben, die proaktiv im Hintergrund arbeiten, Termine vereinbaren, E-Mails beantworten, Informationen suchen und zusammenfassen. Diese Agenten werden nicht auf unsere Prompts warten, sondern vollautomatisch agieren.

Ein Laptop mit Visuellen Online Pläne.

AIDI: Das Web-Interface der Zukunft

Hier kommt das Konzept des AIDI ins Spiel – ein AI Data Interface. Statt dass eine KI eine HTML-Seite abruft, von Code und Styling befreien und dann interpretieren muss, würde ein Server strukturierte Daten zurückgeben – ähnlich einer Datenbank-Abfrage.


Die KI würde ein ausgefülltes Formular erhalten: Feldbezeichnungen und Feldwerte zusammen, mit Inhalt und Bedeutung verknüpft. Perfekt! Das funktioniert ähnlich wie eine API, eine Schnittstelle zum Austausch maschinenlesbarer Daten. AIDI würde den maschinengetriebenen Datenabruf erheblich erleichtern und dramatisch beschleunigen.


Was bedeutet das für E-Commerce und Publisher?

Im Web gibt es im Wesentlichen zwei Geschäftsmodelle: Waren oder Dienstleistungen verkaufen und Geld durch Traffic verdienen. Das Traffic-Modell, das klassische Publisher-Geschäft finanziert durch Werbung, wird durch KI bereits massiv beeinträchtigt. Google wird vorgeworfen, mit AI Overviews Besuche abzuschneiden.


Doch der eigentliche Punkt ist: Nicht Google tötet informationsorientierte Websites, sondern der Aufstieg von KI-Chatbots. Wie das Smartwatch-Beispiel zeigt, liegt der grösste Vorteil der KI in der Zeit: Du musst nicht mehr drei, sieben oder 20 Websites lesen, um die gewünschten Informationen zu erhalten.


Für transaktionale Aufgaben wie Käufe gilt: Wenn mein Bot mir hilft, die richtige Smartwatch auszuwählen, muss ich sie immer noch kaufen. Hier könnten Domain-AIDIs helfen. Statt das sichtbare HTML zu lesen, würde mein Bot alle notwendigen Informationen direkt aus einer strukturierten Datenschnittstelle extrahieren.


Silent Commerce ist bereits Realität

Im B2B-Bereich nutzen Unternehmen solche Schnittstellen seit Langem über ihre ERP-Systeme. Suchprogramme grosser Hersteller kommunizieren leise mit Lieferantensystemen, prüfen Verfügbarkeit und verhandeln Lieferkonditionen – alles digital.


Der einzige fundamentale Unterschied: Diese Systeme "kennen" sich und teilen definierte Datenstrukturen. Ein breiterer Ansatz würde weit mehr Daten und eine für alle zugängliche Datenschnittstelle erfordern. Dein persönlicher Agent könnte AIDI-Adressen über Datenanbieter finden, ähnlich wie DNS für Websites funktioniert.


Wird das Web verschwinden?

Wahrscheinlich, zumindest langfristig. Es gibt wenig Grund, umfangreiche Web-Präsenzen aufrechtzuerhalten, wenn persönliche Agenten deutlich leistungsfähiger werden. Die Nutzung ist einfacher, schneller, personalisierter und bequemer.


Die technologische Geschichte lehrt uns: Neue Systeme gewinnen immer, wenn sie einfacher, günstiger (besonders zeitlich), personalisierter und komfortabler sind. Jeder Vorstandsvorsitzende hat einen oder mehrere menschliche Assistenten, die Zeit sparen. Warum sollten wir nicht alle denselben Vorteil haben, wenn die Technologie es möglich macht?


Fazit: Eine radikale Vision mit realistischen Grundlagen

Wann personalisierte KI-Systeme und die notwendigen Schnittstellen tatsächlich ankommen, ist noch unbekannt. Doch technologische Sprünge erscheinen plötzlich und für die meisten Menschen unerwartet. Die Grundlagen existieren bereits, die Entwicklung läuft voran und die Richtung scheint klar. Das Web, wie wir es kennen, könnte tatsächlich ein Übergangsphänomen sein.



Quelle: Searchengineland.com

Über die Autorin

Eine Frau mit lockigem Haar trägt ein weißes Hemd und lächelt.

Lisa-Marie Unger

Lisa-Marie hat 2018 Publizistik und Kommunikationswissenschaften abgeschlossen und arbeitet bei netpulse AG als Projektleiterin für Google Ads. Sie informiert über SEO (Suchmaschinenoptimierung) und führt Schulungen durch.


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